Wie soll man fliegen lernen?

FrauvonWelt sitzt in ihrem rosa Plüschsessel und sucht die Leichtigkeit. Draußen vorm Fenster fahren Autos durchs nasse Grau. Das Grau durchzieht auch die Gesichter der Passanten. Nicht mal die Kinder lachen. Die Köpfe hängen tief. Die Bordsteinkanten fließen in die Kanalisation, hoffen auf das große weite Meer. Doch ihre Hoffnung versickert im Schlamm der Tiefe. Dort, wo alles ein zähes, jämmerliches Ende findet. Wie soll man fliegen lernen in einer Zeit, in der der Himmel so tief hängt und den gebeugten Gang erzwingt? Wie soll man Fliegen lernen, wenn weder Raum noch Luft noch Licht da sind. Wie soll man Raum schaffen für all das, was man einmal vor hatte, was längst vergessen, unerreicht, abgehakt, verdrängt, verloren ist? Wie? Wie? Wie?
“Babsi?”
“Ja, was gibt’s?”
“Ich bin gerade depressiv.”
“Vergiss es, das kriegst du nie hin. Du nicht.”
“Babsi? Ich glaub, ich bin es wirklich.”
“Babbel net.”
“Das hast du von mir.”
“Was?”
“Na, babbel net.”
“Ja, stimmt, aber deswegen willst du doch jetzt nicht depressiv werden, oder?”
“Nein, deswegen nicht, eher, weil ich nicht fliegen kann.”
“Oh je, toller Grund. Dafür haben wir Menschen doch die Flugzeuge erfunden.”
“Ja, aber ich mein das doch eher im übertragenen Sinn.”
“Weiß schon, wie du das meinst. Aber Fliegen und Fliegen ist gar nicht so ein großer Unterschied. Buch einfach Urlaub, dann kannst du mit nem Flugzeug fliegen und im Urlaub lernst du dann auch das Fliegen wieder.”
“Babsi, du bist genial.”
“Ja, ja, ruf mich gerne an, wenn du wieder mal depressiv bist.”
FrauvonWelt wirft die Beine über die Sessellehne und denkt an Urlaub und daran, wie schön es ist, dass man Freundinnen hat, die einen einfach nicht ernst nehmen können.